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Entries from Mai 2005.

Der Feldahornfruchtstecher im Elbtal
31. Mai 2005

Eine besondere Kleinigkeit des Elbtals - Was wissen wir über den Feldahornfruchtstecher?

von U. Lehmann, Großenhain

Der Mensch forscht. Mit großem technischen Aufwand werden benachbarte Planeten erkundet. Wie viele Stellen der Kreiszahl PI [1] wird man in Zukunft wohl noch ermittelt haben? Es ist die unstillbare und im Ursprung nicht erklärbare Neugier die alles antreibt, nicht zuletzt die Heimatforschung, die sich auch dem kleinsten Detail der eigenen Umgebung widmet.

Aber was wissen wir eigentlich von der uns umgebenden Natur? Während es doch viele Naturfreunde gibt, die zum Beispiel mit Fernglas und Notizblock den Vögeln „nachstellen“ und so zur steten Wissensmehrung beitragen,gibt es leider auch Stiefkinder der Naturforschung. Zweifellos zählen die Insekten dazu. Insekten sind üblicherweise keine Sympathieträger. Ihnen läuft womöglich beim Gedanken an jene ein Kribbeln den Rücken herunter? Dabei braucht es eigentlich neben der ersten Überwindung nur Geduld und auf jeden Fall ein Vergrößerungsglas um von der Farben- und Formenpracht der Wirbellosen gefangen zu werden. Auf jeden Fall ist es die größte in der Natur vertretene Organismengruppe, mindestens 80% der bekannten Tierarten zählen zu den Insekten.
Ein großes Forschungsfeld tut sich hier auf. Denn man darf es nicht verschweigen: Zwar weiß man recht gut Bescheid, dass es diese und jene Arten gibt, aber wo und wie leben sie eigentlich? Wie lang dauert die Entwicklung? Welche Lebensräume bevorzugen sie? Welche Aufgabe erledigen sie, kann man ihnen im ganzen Naturhaushalt zuschreiben? Diese Kenntnisse sind uns bis heute in weiten Bereichen noch verborgen.

Feldahornfruchtstecher
Feldahornfruchtstecher

Es gibt aber glücklicherweise immer wieder Enthusiasten, die sich, wohl auch ein bisschen in Kenntnis ihres „Außenseitertums“, mit Geduld und Fleiß der Erforschung der Insektenwelt widmen. Oft in der Freizeit betrieben, findet man über die Zeit wahre Spezialisten in ihnen wieder, über Landesgrenzen weit gefragt.
Nein. Leider nicht in jeder Region der Heimat gibt es Insektenforscher. In Deutschland sind zum Beispiel über 6 000 Käferarten bekannt, doch spiegeln lückenhafte Verbreitungsangaben zu den Arten eben diesen Zustand der mangelhaften Feldforschung wider. Dabei kann man auch in scheinbar spärlich mit Natur gesegneten Gegenden sehr interessante Wirbellose entdecken.

Großflächige Wildnis kennt die Großenhainer Pflege nicht. Wir leben in einer Kulturlandschaft, durchgängig geprägt und über lange Zeit vom Menschen bewirtschaftet. Jedoch gibt es auch bei uns einige naturgegebene Besonderheiten. Die Großenhainer Pflege im Westen von der Elbe begrenzt, bietet genau hier einige der wohl bedeutensten Wärmestellen Sachsens. Weit bekannt ist die Gohrischheide - inzwischen hart erkämpftes Naturschutzgebiet. Die geologischen Besonderheiten, die zum einen im Vergleich wesentlich höhere Durchnittstemperaturen verursachen, zum anderen die direkte Nachbarschaft zur Elbe die für nötige Luftfeuchte sorgt, haben die Gegend zu einem Refugium für sehr interessante, oft nur selten gefundene Insekten gemacht. Es sei nur exemplarisch der Steppengrashüpfer (Chorthippus vagans) genannt, der vor wenigen Jahren erstmals für Sachsen hier gefunden wurde. Etwas elbaufwärts finden wir einige Steinbrüche, die sich im sowieso wärmebegünstigten Elbtal zusätzlich aufheizen und in die Umgebung wirken.

Zurück zu unseren Insekten- Enthusiasten.

Großenhain beheimatete seit Kriegsende einen weit geachteten Käferkundler. Wohl vielen noch als Pilzberater von der Parkstraße bekannt, widmete sich HELMUT RESSLER (1917-1997) genau einem solchem Wärmegebiet, nämlich dem Gelände zwischen Steinbruch und Elbe bei Zadel, und entdeckte dabei einen recht interessanten und bis dahin noch viele Fragen aufwerfenden Rüsselkäfer - den etwa 4 Millimeter kleinen Feldahornfruchtstecher (Bradybatus creutzeri).
Nicht nur, dass der Käfer uns durch seine seltsam scheinende Verbreitung überrascht, er ist bis heute in Deutschland nur von Wärmestellen aus Hessen, dem Rheinland und eben unserem Elbtal bekannt. Gleichsam stellte er sich auch noch mit seinem unberechenbaren Auftreten recht merkwürdig dar. Im Jahr 1963 erstmals vereinzelt von HELMUT RESSLER nachgewiesen, trat er 1964 gleich massenhaft auf, um 1965 noch häufig, im Jahr 1966 jedoch nicht mehr auffindbar zu sein. Was das verursachte oder bedeutete - wir wissen es nicht.

Die durch die Entdeckung nun erst- und einmalige Möglichkeit der Erforschung dieser in Deutschland selten gefundenen Käferart, ließ sich der gebürtige Leipziger Dr. LOTHAR DIECKMANN (1920-1990) nicht entgehen. Er war seinerzeit am Institut für Pflanzenschutzforschung in Eberswalde - späteres Deutsches Entomologisches Institut [2] - beschäftigt und galt gemeinhin als die Instanz für Rüsselkäfer in der DDR. Nach einer ersten Erkundung gemeinsam mit HELMUT RESSLER im Herbst 1964, erforschte er seit Mai 1965 intensiv die Lebensweise des Käfers. Er fand heraus, dass und wie sich die Tiere in den Früchten des Feldahorns entwickeln - was damit auch gleich den deutschen Namen erklärt. Hierbei benutzt der Käfer übrigens seinen Rüssel, um ein Loch in die Frucht zu beißen. Es ist ein wesentliches Merkmal bei der Klassifizierung, dass Käfer stets über Beißwerkzeuge verfügen, auch wenn die sich an einem „Rüssel“ befinden. Wanzen [3] zum Beispiel haben stets einen Saugrüssel, dafür keinerlei Beißwerkzeuge.

Lothar Dieckmann
Lothar Dieckmann

Unser Feldahornfruchtstecher sitzt bevorzugt auf der sonnenbeschienenen Seite der Baumkrone und überwintert in der Laub- und Humusschicht unter den Bäumen. Mit der Erforschung der Biologie kennen wir nun auch die Larven und weiteres zu den Lebenszyklen dieser Art, was bei anderen schlecht erforschten verwandten Arten dann zumindest vergleichend herangezogen werden kann.

Und heute? Was ist aus diesem Käfer geworden, mit seinem seltsamen Auftreten? Ab und zu findet man ihn noch. Im Jahr 1984 hatte der Autor selbst seine erste „Begegnung der heimlichen Art“, seinerzeit beim Finden angeleitet durch HELMUT RESSLER. Man kann vermuten, dass der Käfer noch auf manchem Feldahorn an Wärmestellen unseres Elbtals vorkommt, aber wieder müssen wir gestehen: nein, Näheres dazu wissen wir noch nicht.

Was wir wissen ist: Die Erforschung des Kleinen kann begeistern, lässt das Gesamte, das Große und Ganze der Natur erahnen. Man braucht wie eingangs erwähnt lediglich etwas Geduld und ein Vergrößerungsglas, der Enthusiasmus und die Professionalisierung kommen von allein und schließlich sind die Ergebnisse dieser Arbeit auch noch zeitlos! Hier schließt sich der Kreis - sogar ganz ohne Kenntnis der tatsächlichen Stellen von PI.

Erläuterungen

Literatur und weitere Quellen

Beitrag erstmalig publiziert: LEHMANN, U. (2005): Eine besondere Kleinigkeit des Elbtals - Was wissen wir über den Feldahornfruchtstecher? - Großenhainer Stadt- und Landkalender - Jahrbuch 2006, Gräser Verlag Großenhain: 90–92.

Tags: bradybatus, dieckmann, elbtal, kaefer, ressler, waermegebiet.

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