von U. Lehmann
Er hat eine freundliche Ausstrahlung, runde weiche Gesichtszüge, eine hohe Stirn, trägt Brille. Ein Herr genau 60 Jahre.
Sein Geburtstag ist der 22. Januar, gleich dem des Kamenzers Lessing.
Dass der freundliche Herr jemals in Großenhain war ist unwahrscheinlich. Noch nicht mal dürfte er persönliche Beziehungen hier hin gehabt haben. Dennoch war er hier präsent.
Der sympatische Herr trägt den Namen Sihu U Thant, stammt aus Birma und ist der dritte Generalsekretär der Vereinten Nationen (UNO).
Seine Botschaft fand in den Achtziger Jahren in Großenhain einige Beachtung.
Nur Gedanken sind frei. Der Gedankenaustausch nicht, weder heute noch in Vergangenheit. Unser Globus wird in Mehrheit beherrscht von autoritären Regimen.
In der DDR gab es auch eine Hürde der Praxis. Es war nicht einfach etwas in größerer Anzahl zu verschriftlichen. Mit Blau- und Kohlepapier und einer Schreibmaschine konnten 3 oder 4 brauchbare Kopien getippt werden.
Etwa 100 Abzüge konnten mit einem handlichen Matrizendrucker hergestellt werden. So ein Drucker kam zum Einsatz in VEB und einigen Organisationen. Ich habe in jener Zeit solche Abzüge vom Kulturbund bekommen.
Diese Abzüge waren meist schon zum Ausgabetermin schlecht zu lesen, dazu in violetter oder rosa Schrift. Sie alterten sehr schnell.
Der Druck erfolgte mittels einer farbigen Wachsmatrize. Diese wurde auch mit Schreibmaschine hergestellt, ähnlich dem Tippen mit Kohlepapier, das Ergebnis war aber gespiegelt.
Es kam Spiritus zum Einsatz und mit jedem Abzug blieb etwas Wachsfarbe am Papier.
So einen kleinen Matrizendrucker habe ich in der DDR selbst nie gesehen. Ich vermute sie wurden misstrauisch und scharf bewacht. Die Stasi sammelte nebenbei Schreibmaschinen-Typen um Autoren über das Schriftbild überführen zu können.
In den Achtziger Jahren bekam ich einen Schnapsdruck der keinen offiziellen Weg gelaufen war. Von Helmut Reßler, Pilzberater, Biologie-Lehrer und Käferkundler von der Parkstraße.
Wir sprachen ab und zu über Umwelt-Themen. Er witzelte über die DDR. Von wem er den Text hatte sagte Helmut Reßler nicht. Seinerzeit bekam er viel Besuch.
Der Text soll offenbar Alarm schlagen. Was ist die Botschaft? Stimmt der Inhalt?
Lesen Sie selbst!
Das Ende der Menschheit?
Ein Bericht des UNO-Generalsekretärs aus dem Jahre 1969 gipfelt in der Feststellung: "Das Leben auf der Erde ist gefährdet!"
Der Bericht zielt darauf ab, die Völker der Vereinten Nationen davon zu überzeugen, daß sie die Lebensbedingungen ihrer Bürger nicht weiterhin fahrlässig gefährden sollten und daß es vornehmste Pflicht aller Staatsregierungen sei, Gefahren und Schäden für die Umwelt zu unterbinden. Zu weltweiter Aktivität wird aufgerufen, der Vergiftung unseres Lebensraumes mit allen Mitteln Herr zu werden.
Als die drei bedeutendsten Ursachen der Weltkrise bezeichnete der Generalsekretär die Bevölkerungsexplosion, die zunehmnende Verstädterung und das maßlose Wirken wissenschaftlicher Technologie. Fast 500 Millionen Hektar kulturfähigen Bodens sind durch Erosion und Mißbrauch unwiderbringlich verlorengegangen.
2/3 des Waldbestandes der Erde sind durch Industrieverbrauch verschwunden. 150 Arten von Vögeln und Säugetieren sind bereits ausgestorben. 1000 Arten sind von Aussterben bedroht.
Einseitige Förderung der Technik hat zu einer unvorstellbaren Verschmutzung der Erdoberfläche geführt. Allein in den USA fallen alljährlich 142 Millionen Tonnen Rauch und giftige Gase, 7 Millonen schrottreife Autos und Milliarden Tonnen Zivilisationsmüll an.
Man sollte meinen, daß solche Darstellungen wachrütteln müßten. Der Mensch aber gewöhnt sich an alles, offenbar auch an das Ticken einer Zeitbombe. Daß auf dem Grunde des Bottnischen Meerbusens 7000 Tonnen Arsen lagern, genug um die ganze Menschheit zu vergiften, ist doch wohl eine solche!
Menschheit erwache!
Bitte weitergeben und vervielfältigen
Die zwei wesentliche Themen sind, eine globale Bestandsaufnahme und der Hinweis auf Gift im Bottnischen Meerbusen.
Und es stimmt, der freundliche Herr eingangs lieferte einen Bericht zu globalen Problemen. Der UNO-Generalsekretär Sihu U Thant sagte, wenn es weiter geht wie bisher ist das Leben auf der Erde gefährdet - das 1969!
Die Bemerkung zum Arsen im Bottnischen Meerbusen bezieht sich offenbar auf versenkte Chemiewaffen in der Ostsee, hier in Bezug auf Arsen-Verbindungen. Vom Bottnischen Meerbusen, dem nördlichen Ausläufer der Ostsee, ist das nicht bekannt. Für die deutsche Ostsee und das Meer allgemein dagegen schon. Seit einigen Jahren wird dazu aktiv im Ostseeraum geforscht und es gibt Versuche der Räumung.
Es wurde weltweit Munition versenkt, auch im Mittelmeer und vor der Küste der USA. Obwohl nur wenige Dekaden nach der Tat, kennt man die Lagen und den Umfang von Versenkungen nur ungenau.
Es gibt weitere tickende Zeitbomben in den Weltmeeren.
Radioktiver Müll in rostenden Fässern. Versenkte Schiffe mit rostenden gefüllten Treibstofftanks, wohl einige tausend weltweit. Und Plastikmüll in unvorstellbaren Mengen und das auch in abgelegenen Regionen.
Vierzig Jahre sind vergangen. Wir erinnern durch das Flugblatt das Wirken von Sihu U Than, subversiven Matrizendruck und die Meere als größte Müllkippe des Planeten. Und alles wurde bereits gesagt! Nichts ist seitdem neu!
Kennen Sie Autoren oder Verbreitung dieses Flugblattes? Schreiben Sie mal! Kontakt
von U. Lehmann, Großenhain
In seiner Arbeit zu bisherigen Nachweisen von Holzbienen in Sachsen nennt FRANKE
(2006) auch folgende Daten für einen Beleg von Xylocopa violacea (LINNAEUS 1758)
für die Großenhainer Pflege: „Ein weiteres Weibchen (...) am 22.09.2005 tot am
Straßenrand in Kalkreuth bei Großenhain. Das Belegexemplar wurde von Frau
JAKUBZIK (Köln) deternimiert.“.
Das Tier war Teil einer kleineren Sendung, überwiegend tot aufgefundener Bienen, die
zur Bearbeitung nach Köln gegeben wurde. Der Verbleib ist seitdem unklar.
Entsprechend der Regelungen des Ehrenkodex der entomologischen Feldarbeit (NABU)
muss der Finder leider mitteilen: Der oben genannte Beleg ist verschollen und kann
nicht begutachtet werden!
von U. Lehmann, Großenhain
Im Jahr 1984 wurde im Saubachtal bei Meißen vom Autor ein Männchen von Carabus
hortensis LINNÉ 1758 gefunden, das eine deutliche Mißbildung des linken Hinterbeines
aufweist.
Während der Schenkel dem des rechten Beines entspricht, ist die Schiene etwa ein
Viertel kürzer als die rechte Schiene und ab der Mitte deutlich nach innen gebogen. Die
zwei Endsporne der Schiene sind vorhanden, jedoch kürzer als die des rechten Beines.
Alle 5 Fußglieder sind etwa um ein Drittel verkürzt, so daß der Fuß insgesamt etwa ein
Drittel kürzer ist als der rechte. Ebenso vorhanden aber schwächer ausgebildet sind die
Krallen.
Die anderen Gliedmaßen weisen im Vergleich mit anderen C. hortensis keinerlei
Auffälligkeiten auf und scheinen normal.
Eine recht ähnliche Mißbildung beschreibt GERISCH (1986) bei einem Puppenräuber Calosoma sycophanta (LINNÉ, 1758) der 1909 im Vogtland gefunden wurde. Hier betrifft die Verkümmerung das linke Vorderbein. Der Fuß sei vollständig aber schwächer ausgebildet, die Schiene kaum „halb so groß“ wie die rechte und, anders zum beschriebenen C. hortensis, auch der Schenkel „nur wenig verkleinert“.
Über solche meist nur vereinzelt aufgefundenen Mißbildungen lässt sich nicht allzuviel
verfassen, entsprechende Notizen sind daher sehr verstreut und schwer aufzufinden.
Diese besonderen Äußerungen des Lebens erreichen aber allgemein reges Interesse.
Deshalb soll an dieser Stelle noch auf einige Arbeiten verwiesen werden die dem Autor
zusätzlich bekannt geworden sind.
GRASER (1986) macht aufmerksam auf vorhandene Literaturzusammenstellungen und
nennt zusätzlich einige Titel zu „Teratologischen Abnormalitäten“, vorwiegend zu
Käfern.
TROST (1985) beschreibt detailreich Beinmißbildungen zweier Laufkäfer. Zum einen
die Mißbildung des rechten Hinterbeines bei Carabus granulatus LINNÉ 1758, hier
endet die Schiene in einer Gabel, wobei das obere Ende über zwei verkümmerte Tarsen
verfügt und alle drei Tarsen verkümmerte Krallen aufweisen. Die Beinmißbildung bei
einem Exemplar von Nebria livida (LINNÉ 1758) betrifft das linke Vorderbein. Die
Schiene ist verbreitert und verfügt über vier Endsporne und zwei missgebildeten Tarsen.
JORDAN (1957) beschreibt einige Mißbildungen bei Wanzen und versucht deren
Einordnung nach „inneren Ursachen“ bzw. Einwirkungen während der Entwicklung.
Sein Literaturverzeichnis nennt weitere 4 Arbeiten zu Mißbildungen bei Wanzen.
Die Beschreibung der Mißbildung erfolgte am vorliegenden C. hortensis- Präparat das 2006 für ein Foto der Redaktion einer entomologischen Zeitschrift übergeben wurde. Das beschriebene Präparat muss leider als verschollen gelten! Ein Foto liegt auch nicht vor.
Es wird gezeigt, dass für eine verantwortbare Naturschutzpraxis auf die Würdigung
zurückliegender Funddaten, insbesondere als Grundlage des FFH-Monitoring, nicht verzichtet werden
kann. Als Beispiel dienen zwei Literaturmeldungen zum Schwimmkäfer Graphoderus bilineatus (DEGEER ,
1774) für die sächsische Fauna. Die Nachweise betreffen die Jahre 1921 und 1964, die vom behördlichen
Naturschutz in Sachsen (noch) als nicht-FFH-Monitoring-relevant ignoriert werden. Es wird deren
Zuverlässigkeit geprüft. Die Konkretisierung der Fundorte und Fundumstände wird versucht und die
Ergebnisse werden in Bezug zum sächsische FFH-Monitoring bewertet.
Inzwischen konnte in der Region der Schwimmkäfer wiederholt gefunden werden!
von U. Lehmann, Großenhain
Der Mensch forscht. Mit großem technischen Aufwand werden benachbarte Planeten erkundet. Wie viele Stellen der Kreiszahl PI [1] wird man in Zukunft wohl noch ermittelt haben? Es ist die unstillbare und im Ursprung nicht erklärbare Neugier die alles antreibt, nicht zuletzt die Heimatforschung, die sich auch dem kleinsten Detail der eigenen Umgebung widmet.
Aber was wissen wir eigentlich von der uns umgebenden Natur? Während es doch viele Naturfreunde gibt, die zum Beispiel mit Fernglas und Notizblock den Vögeln „nachstellen“ und so zur steten Wissensmehrung beitragen,gibt es leider auch Stiefkinder der Naturforschung. Zweifellos zählen die Insekten dazu. Insekten sind üblicherweise keine Sympathieträger. Ihnen läuft womöglich beim Gedanken an jene ein Kribbeln den Rücken herunter? Dabei braucht es eigentlich neben der ersten Überwindung nur Geduld und auf jeden Fall ein Vergrößerungsglas um von der Farben- und Formenpracht der Wirbellosen gefangen zu werden. Auf jeden Fall ist es die größte in der Natur vertretene Organismengruppe, mindestens 80% der bekannten Tierarten zählen zu den Insekten.
Ein großes Forschungsfeld tut sich hier auf. Denn man darf es nicht verschweigen: Zwar weiß man recht gut Bescheid, dass es diese und jene Arten gibt, aber wo und wie leben sie eigentlich? Wie lang dauert die Entwicklung? Welche Lebensräume bevorzugen sie? Welche Aufgabe erledigen sie, kann man ihnen im ganzen Naturhaushalt zuschreiben? Diese Kenntnisse sind uns bis heute in weiten Bereichen noch verborgen.
Es gibt aber glücklicherweise immer wieder Enthusiasten, die sich, wohl auch ein bisschen in Kenntnis ihres „Außenseitertums“, mit Geduld und Fleiß der Erforschung der Insektenwelt widmen. Oft in der Freizeit betrieben, findet man über die Zeit wahre Spezialisten in ihnen wieder, über Landesgrenzen weit gefragt.
Nein. Leider nicht in jeder Region der Heimat gibt es Insektenforscher. In Deutschland sind zum Beispiel über 6 000 Käferarten bekannt, doch spiegeln lückenhafte Verbreitungsangaben zu den Arten eben diesen Zustand der mangelhaften Feldforschung wider. Dabei kann man auch in scheinbar spärlich mit Natur gesegneten Gegenden sehr interessante Wirbellose entdecken.
Großflächige Wildnis kennt die Großenhainer Pflege nicht. Wir leben in einer Kulturlandschaft, durchgängig geprägt und über lange Zeit vom Menschen bewirtschaftet. Jedoch gibt es auch bei uns einige naturgegebene Besonderheiten. Die Großenhainer Pflege im Westen von der Elbe begrenzt, bietet genau hier einige der wohl bedeutensten Wärmestellen Sachsens. Weit bekannt ist die Gohrischheide - inzwischen hart erkämpftes Naturschutzgebiet. Die geologischen Besonderheiten, die zum einen im Vergleich wesentlich höhere Durchnittstemperaturen verursachen, zum anderen die direkte Nachbarschaft zur Elbe die für nötige Luftfeuchte sorgt, haben die Gegend zu einem Refugium für sehr interessante, oft nur selten gefundene Insekten gemacht. Es sei nur exemplarisch der Steppengrashüpfer (Chorthippus vagans) genannt, der vor wenigen Jahren erstmals für Sachsen hier gefunden wurde. Etwas elbaufwärts finden wir einige Steinbrüche, die sich im sowieso wärmebegünstigten Elbtal zusätzlich aufheizen und in die Umgebung wirken.
Zurück zu unseren Insekten- Enthusiasten.
Großenhain beheimatete seit Kriegsende einen weit geachteten Käferkundler. Wohl vielen noch als Pilzberater von der Parkstraße bekannt, widmete sich HELMUT RESSLER (1917-1997) genau einem solchem Wärmegebiet, nämlich dem Gelände zwischen Steinbruch und Elbe bei Zadel, und entdeckte dabei einen recht interessanten und bis dahin noch viele Fragen aufwerfenden Rüsselkäfer - den etwa 4 Millimeter kleinen Feldahornfruchtstecher (Bradybatus creutzeri).
Nicht nur, dass der Käfer uns durch seine seltsam scheinende Verbreitung überrascht, er ist bis heute in Deutschland nur von Wärmestellen aus Hessen, dem Rheinland und eben unserem Elbtal bekannt. Gleichsam stellte er sich auch noch mit seinem unberechenbaren Auftreten recht merkwürdig dar. Im Jahr 1963 erstmals vereinzelt von HELMUT RESSLER nachgewiesen, trat er 1964 gleich massenhaft auf, um 1965 noch häufig, im Jahr 1966 jedoch nicht mehr auffindbar zu sein. Was das verursachte oder bedeutete - wir wissen es nicht.
Die durch die Entdeckung nun erst- und einmalige Möglichkeit der Erforschung dieser in Deutschland selten gefundenen Käferart, ließ sich der gebürtige Leipziger Dr. LOTHAR DIECKMANN (1920-1990) nicht entgehen. Er war seinerzeit am Institut für Pflanzenschutzforschung in Eberswalde - späteres Deutsches Entomologisches Institut [2] - beschäftigt und galt gemeinhin als die Instanz für Rüsselkäfer in der DDR. Nach einer ersten Erkundung gemeinsam mit HELMUT RESSLER im Herbst 1964, erforschte er seit Mai 1965 intensiv die Lebensweise des Käfers. Er fand heraus, dass und wie sich die Tiere in den Früchten des Feldahorns entwickeln - was damit auch gleich den deutschen Namen erklärt. Hierbei benutzt der Käfer übrigens seinen Rüssel, um ein Loch in die Frucht zu beißen. Es ist ein wesentliches Merkmal bei der Klassifizierung, dass Käfer stets über Beißwerkzeuge verfügen, auch wenn die sich an einem „Rüssel“ befinden. Wanzen [3] zum Beispiel haben stets einen Saugrüssel, dafür keinerlei Beißwerkzeuge.
Unser Feldahornfruchtstecher sitzt bevorzugt auf der sonnenbeschienenen Seite der Baumkrone und überwintert in der Laub- und Humusschicht unter den Bäumen. Mit der Erforschung der Biologie kennen wir nun auch die Larven und weiteres zu den Lebenszyklen dieser Art, was bei anderen schlecht erforschten verwandten Arten dann zumindest vergleichend herangezogen werden kann.
Und heute? Was ist aus diesem Käfer geworden, mit seinem seltsamen Auftreten? Ab und zu findet man ihn noch. Im Jahr 1984 hatte der Autor selbst seine erste „Begegnung der heimlichen Art“, seinerzeit beim Finden angeleitet durch HELMUT RESSLER. Man kann vermuten, dass der Käfer noch auf manchem Feldahorn an Wärmestellen unseres Elbtals vorkommt, aber wieder müssen wir gestehen: nein, Näheres dazu wissen wir noch nicht.
Was wir wissen ist: Die Erforschung des Kleinen kann begeistern, lässt das Gesamte, das Große und Ganze der Natur erahnen. Man braucht wie eingangs erwähnt lediglich etwas Geduld und ein Vergrößerungsglas, der Enthusiasmus und die Professionalisierung kommen von allein und schließlich sind die Ergebnisse dieser Arbeit auch noch zeitlos! Hier schließt sich der Kreis - sogar ganz ohne Kenntnis der tatsächlichen Stellen von PI.
Beitrag erstmalig publiziert: LEHMANN, U. (2005): Eine besondere Kleinigkeit des Elbtals - Was wissen wir über den Feldahornfruchtstecher? - Großenhainer Stadt- und Landkalender - Jahrbuch 2006, Gräser Verlag Großenhain: 90–92.
von U. Lehmann, Großenhain & D. Matzke, Leipzig
Das Auffinden des Großen Sandohrwurmes Labidura riparia (Pallas 1773) beim Lichfang im dritten Obergeschoß eines Wohnhauses mitten im Siedlungsgebiet des sächsischen Großenhain, liefert einen weiteren Hinweis zum mutmaßlich guten Flugvermögen der Art. Die Fundumstände werden erläutert und die Wahrscheinlichkeit eines Vorkommens vor Ort wird begründet. Gleichartige bereits vorliegende Beobachtungen werden gewürdigt. Zwei weitere Ohrwurm-Arten, Labia minor (Linnaeus 1758) und Forficula auricularia Linnaeus 1758, werden regelmäßig dort am Licht beobachtet, deren Flugverhalten wird diskutiert.
Zum Einsatz kam eine UV-Leuchtstofflampe, Länge 0,6 Meter (VEB NARVA UVS 20-2), betrieben an einer konventionellen Schaltung (Netzspannung 230 Volt - Starter, Drossel 20 Watt). Die Leuchte wurde zunächst senkrecht auf das Fensterbrett (Balkonrückwand) gestellt, ab Ende August 2003 stets 0,7 Meter über diesem senkrecht aufgehangen, dahinter ein weißes Tuch befestigt. Die Höhe des Fensterbrettes und der Balkon-Brüstung stimmt nahezu überein (das entspricht zirka 10,3 Meter über Erdboden).
Der Abstand der Leuchte zur Balkon-Brüstung beträgt etwa 1,2 Meter. Das ist insofern interessant, da sich somit keine direkte Ausstrahlung des Lichtes nach unten ergibt. Inwieweit Reflexionen der Balkondecke und -wände, die allesamt hell gehalten sind, in die Umgebung wirken kann schwerlich eingeschätzt werden. Eine direkte Sichtverbindung (Bezug ist Erdboden) zum oberen Ende der Leuchte, ergibt sich etwa in 25 Meter Entfernung vom Haus. Der Balkon ist gen Süden ausgerichtet. Unmittelbar dem Leuchtort vorgelagert, an das Hausgrundstück, grenzt eine bewirtschaftete Wiese (Heugewinnung).
In direkter Umgebung des Leuchtortes sind Kleingewässer, wie Gräben in Kleingärten, vorhanden. An benannte Wiese anschließend, etwa 150 Meter südlich nach lockerer Wohn-Bebauung, beginnt der Großenhainer Stadtpark durch den die Röder und deren Kanäle verlaufen.
Etwa 2 bis 3,5 Kilometer westlich, entlang der Röder, sind mit dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Kleinraschütz (Ginster-Heide) und der Binnendüne bei Skassa am Röderknie, ausgesprochen sandige Habitate zu finden - wie der sächsische Naturraum „Großenhainer Pflege“ (umrissen bei BASTIAN 2003 und BLASCHKE 1999) insgesamt vom Sand geprägt ist.
Beim Balkon-Lichtfang im dritten Obergeschoß konnten Labidura riparia und Labia minior nachgewiesen werden. Als eine weitere Ohrwurm-Art ist Forficula auricularia am Ort vom Licht des Hauseinganges bekannt.
Der Sandohrwurm Labidura riparia, wegen seiner Größe bis 30 Millimeter ohne Cerci und seiner strohgelben Färbung, einer der auffälligsten Ohrwürmer unserer Fauna, stellte sich in zwei Weibchen am 03. August 2003 ein. Näheres zur Fundzeit wurde nicht registriert. Der Lichtfang dauerte etwa von 21.30 bis 24 Uhr (MSZ). Beide Tiere saßen mit verpackten Flügeln recht aphatisch auf einem weißen Tuch, welches auf dem Balkonboden ausgelegt war.
Der Kleine Zangenträger Labia minor kann recht regelmäßig beim Lichtfang und dann in mehreren Exemplaren beobachtet werden. Die Art ist recht aktiv in der Umgebung der Lampe, läuft am Tuch welches hinter der Lampe befestigt ist, bzw. auf dem Fensterbrett unter der Lampe. Zwei Belege vom August 2003 und August 2004 sind jeweils Weibchen.
Der Gemeine Ohrwurm Forficula auricularia ist dagegen noch nicht beim Balkon-Lichtfang beobachtet worden, sitzt jedoch regelmäßig nachts unterhalb der Hauseingangsbeleuchtung des selben Wohnhauses an der Wand. Der Hauseingang ist auf der Nordseite des Gebäudes gelegen. Die Leuchte befindet sich in zwei Meter Höhe über dem Erdboden.
Für die folgende Diskussion seien noch exemplarisch, als weitere beim Balkon-Lichtfang anfliegende Insekten genannt: Regelmäßig treffen sehr zahlreich Wasserwanzen Sigara spec. ein, zwei Belege ergaben Sigara falleni (FIEBER, 1848), und es konnte Ende August 2003 ein Exemplar des Laufkäfers Omophron limbatum (Fabricius 1776) nachgewiesen werden.
Anfang August 2003 gelang der Nachweis zweier Weibchen von L. riparia im sächsischen Großenhain. Die Fundumstände stellen sich in Bezug zur Flugfähigkeit sehr interessant dar. Die Tiere wurden mitten im Siedlungsgebiet in der 3. Etage eines Wohnhauses am Licht gefunden. Ein gleichartiges Auffinden dieser Art ist aus Leipzig-Eutritzsch im Jahr 1990 (MATZKE 1999) bekannt. In diesem Fall wurde auch ein Weibchen an der Lampe sogar in der 4. Etage gefunden.
Die Art gilt als Kosmopolit, stelle allerdings spezielle Ansprüche an seinen Lebensraum was die Vorkommen im Verbreitungsgebiet eng umgrenzt. Sie ist bekannt von Sandflächen und Dünengebieten an der Meeresküste oder Seeufern, sowie in ähnlichen Biotopen an Flüssen, auf Binnendünen, in Heiden und auf Abraumhalden der Braunkohletagebaue (GÜNTHER 1989).
Nun stellen sich die Fragen: Stammen die Tiere aus der Umgebung und sind sie, dem Licht zu, auf den Balkon geflogen?
Die meisten geflügelten heimischen Ohrwürmer gelten als flugträge, bzw. es liegen keine genaueren Angaben zum Flugverhalten vor (GÜNTHER 1989, SCHIMENZ 1984). Eine Ausnahme stellt Labia minor dar, worauf noch eingegangen wird.
Beim Sandohrwurm besteht offensichtlich ein Mangel an Kenntnissen, wird doch seine mutmaßlich gute Flugfähigkeit bisher nur indirekt begründet, zum Beispiel mit der guten Ausbildung der Flügel selbst (GÜNTHER 1989) oder anhand der schnellen Besiedelung von Abraumhalden des Bergbaus (SEDLAG 2004). BEIER (1959) nennt jedoch bereits eine Flugbeobachtung am Licht aus Indien. Der Koautor selbst hat eine indirekte Flugbeobachtung in Bulgarien gemacht insofern, dass, bei einem Lichtfang plötzlich ein Etwas sich neben dem Tuch auf einen Holzstapel niederließ. Beim näheren Betrachten wurde ein Sandohrwurm erkannt, der gerade dabei war seine Flügel zu verpacken.
Wie oben geschildert konnte der Anflug der Tiere nicht beobachtet werden. Ein „Lichtkrabbeln“ erscheint jedoch ausgeschlossen. Es ist kein Weg erkennbar, der das ohne Unterbrechung der Sicht zur Lichtquelle ermöglicht hätte und zum anderen ist der Sandohrwurm nicht in der Lage an glatten Flächen empor zu klettern.
Die deutlich erkennbar gut entwickelten Flügel (Foto) machen also gleichsam das Fliegen am wahrscheinlichsten. Ein Anflug vom Boden aus kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, es spricht aber wenig dafür. Die kürzeste „Flugverbindung“ zur Lampe auf den Balkon beträgt etwa 27 Meter.
Man muss jedoch stets weitere störende Lichtquellen – andere hell beleuchtete Balkone und Fenster – berücksichtigen. Inwieweit bereits Daten vorliegen, dass Insekten auf diese Entfernung von Licht beeinflusst werden, entzieht sich der Kenntnis der Autoren. Ausreichend sicher scheint, dass die Tiere in etwa der Höhe der Lichtfanganlage flogen und diese kräftig genug ist sich gegen „Störquellen“ in gleicher Höhe durchzusetzen. Aus westlicher Richtung kommend sind die wenigsten potentiell störenden Lichtquellen des Wohnhauses vorhanden. Es handelt sich dann um die bereits zweite vertikale Balkonreihe.
Eine nicht unbedeutende Rolle kommt der Nachttemperatur zu, sie beeinflusst entscheidend die Flugaktivität bei Ohrwürmern. In anderen (subtropischen) Regionen konnte eine erhöhte Flugaktivität bei einer Nachttemperatur um 25°C und höher beobachtet werden.
Der Sommer 2003 war außergewöhnlich heiß und trocken und dementsprechend war die Nachttemperatur auch relativ hoch, was in ähnlicher Weise für den Sommer 1990 zutrifft. Leider können zu beiden „Etagen-Anflügen“ in Großenhain und Leipzig nur die subjektiven Einschätzungen der Autoren, dass es sich jeweils um eine „warme Sommernacht“ handelte, einen Hinweis dazu liefern. Spezielle Luft-Ströhmungsverhältnisse, wie sie bei höheren Gebäuden bekannt sind, hier tags aufgeheizte Südseite und die stets schattige Nordseite, können bei der Bewertung dieser Beobachtung nicht ignoriert werden. Das trägt zur schwer zu bewältigenden Komplexität einer befriedigenden Erklärung bei. Klärung, inwieweit der Große Sandohrwurm seine Flugfähigkeit ausnutzt, ans Licht fliegt, gar in größerer Höhe schwärmt, kann zweifellos nur eine erhöhte Aufmerksamkeit der, sich wesentlich anderen Insekten-Ordnungen widmenten, Entomologenschaft erbringen. Insbesondere nun auch bei Leuchtabenden in bekannten Vorkommensgebieten.
Wie oben beschrieben wurden beim Balkon-Lichtfang auch andere Insekten nachgewiesen die Hinweise zu Gewässern und sandigen Ufern geben. Der Laufkäfer Omophron limbatum komme an sandigen Ufern streng biotopgebunden (FREUDE 1976) und auch in Kiesgruben (KOCH 1989) vor. Die zahlreich anfliegenden Wasserwanzen, die als gute Flieger gelten, kommen auch aus weiter Entfernungen zum Leuchtort, können aber auch aus kleinen Gewässern der näheren Umgebung stammen (schrftl. Mitt. ARNOLD 2004). Ein umgrenzbares Habitat eines Großenhainer Vorkommens des Sandohrwurmes kann damit zwar nicht ermittelt werden, es ist aber, wie bereits geschildert, ohne Zweifel, eine für ihn geeignet scheinende Landschaft vorhanden, was ein etabliertes Vorkommen vor Ort vermuten lässt. Das nächst gelegene ist nur etwa 17 Kilometer westlich von Großenhain, in einer Kiesgrube bei Gohlis (leg. MATZKE 1997 – 1999) bekannt.
Der Kleine Zangenträger Labia minor ist ein sehr guter Flieger und kann deshalb weitab vom zusagenden Biotop vorkommen. Nach HARZ (1960) fliegt er direkt ans Licht, das konnte auch beim Lichtfang wie oben beschrieben bestätigt werden. Vom Gemeinen Ohrwurm Forficula auricularia der als Kulturfolger gilt ist das Fliegen bekannt (BEIER 1959, GÜNTHER & HERTER 1974), er wird jedoch als flugträge angesehen. Er kann aus der nächsten Umgebung anfliegen oder direkt ans Licht hochsteigen, wie die über lange Zeit regelmäßigen Beobachtungen an der beleuchteten Wand des Hauseinganges bestätigen. Warum er noch nicht am direkten Lichtfangort anflog kann derzeit nur gemutmaßt werden. GÜNTHER (1989) beschreibt, dass die Art Plätze bevorzug die eine Durchschnitts-Temperatur von 18°C im Juli nicht überschreiten, was die nördliche Gebäudeseite unbestritten eher bietet als die südliche.
Taxonomie nach http://www.faunaeur.org/, Stand 03/2009.
Beitrag erstmalig publiziert: Lehmann, U. & D, Matzke (2004): Beobachtungen zum Flugverhalten am Licht in Siedlungsgebieten (Insecta, Dermaptera). - Insecta 9 (erschienen 2005), Berlin: 81–85.
Einige Tippfehler der Druckversion korrigiert.
Fotos: (c) EntoGRH
von U. Lehmann, Großenhain
„Er war durch und durch ein Naturmensch“, überschrieb die Sächsische Zeitung (SZ) am 29. Juni 2002 einen Artikel über den Großenhainer Schmetterlingsexperten JOSEF SCHÖNFELDER. Er verstarb am 17. März 1982 in Großenhain, allerdings wurde erst im April 2004 sein langjähriges Schaffen würdig abgeschlossen - sein „Verzeichnis der Schmetterlinge von Großenhain und Umgebung“ veröffentlicht.
Am 18. Juli 1891 wurde JOSEF SCHÖNFELDER im böhmischen Warnsdorf geboren. Seit frühester Jugend beschäftigte er sich mit Schmetterlingen, insbesondere auch deren Zucht. Bereits im fünfzehnten Lebensjahr gründete er einen entomologischen [1] Verein in Warnsdorf, dessen jüngstes Mitglied er war. Während er sich bis dahin nur den heimischen „Großschmetterlingen“ [2] widmete, wurde durch seine Bekanntschaft mit einem gebürtigen Heinersdorfer [3] im Jahr 1919, auch sein Interesse für die, leider bis heute, in der Forschung eher vernachlässigten „Kleinschmetterlinge“ [4] geweckt.
JOSEF SOFFNER war es, ein weitbekannter Spezialist für diese Falter, die im Allgemeinen wegen ihrer Winzigkeit garnicht, oder nur als „Motten“, wahrgenommen werden.
Seit 1924 lebte JOSEF SCHÖNFELDER in Schluckenau und gründete wiederum einen entomologischen Verein in Rumburg. Mit Aussiedelung der Deutschen aus den Sudeten verschlug es ihn nach Großenhain. Er kam ohne seine bis dahin erstellte Schmetterlingssammlung, die 140 Kästen böhmische Fauna umfasste.
Glücklicherweise ist sie bis heute - eingeordnet in die Hauptsammlung - im Nationalmuseum Prag (Národni Muzeum Praha, Entomologicke oddeleni) erhalten und somit der Wissenschaft zugänglich. Gleiches gilt übrigens auch für die erste Sammlung von JOSEF SOFFNER, der 1976 im Alter von 87 Jahren in Staßfurt verstarb. An dieser Stelle sei erwähnt, dass derartige Insektensammlungen, auch wenn sie in einem Museum beheimatet sind, keinesfalls ausgestellt werden, sondern vor Feuchte und Licht geschützt, allein der Forschung dienen.
Mit Ankunft in Großenhain widmete sich JOSEF SCHÖNFELDER umgehend der regionalen Schmetterlingsfauna. Er war lange Zeit Vorsitzender der Fachgruppe Entomologie im Kulturbund der DDR in Großenhain. Von 1960 bis 1970 präparierte er im Staatlichen Museum für Tierkunde Dresden, mehr als 75.000 Schmetterlinge aus einem Händlernachlass, und machte dieses Material damit weitergehender Forschung erst zugänglich. Im hohen Alter von 78 Jahren begann JOSEF SCHÖNFELDER mit einer zusammenfassenden Arbeit seiner Großenhainer Zeit - er verfasste ein „Verzeichnis der Schmetterlinge von Großenhain und Umgebung“, welches aber nie veröffentlicht wurde. Der Großenhainer Käferexperte HELMUT RESSLER - langjähriges Mitglied und späterer Leiter der Fachgruppe - erwähnte das Verzeichnis in einer Würdigung, welche anlässlich des neunzigsten Geburtstages von JOSEF SCHÖNFELDER in einer Fachzeitschrift erschien. Wo diese Arbeit und die Nachkriegs-Sammlung nach dessen Tod allerdings verblieben sind, wusste, etwa 1988 darauf angesprochen, auch HELMUT RESSLER nicht zu sagen.
Aufklärung brachte oben genannter SZ-Artikel. Dieser offenbarte, dass JOSEF SCHÖNFELDER bereits zu Lebzeiten seine Sammlung den beiden Cousins WERNER und WOLFGANG EFFENBERGER überließ, die ebenfalls der ehemaligen Fachgruppe angehörten. WOLFGANG EFFENBERGER verfügte zudem über das Schmetterlingsverzeichnis. Es stand außer Frage, dass diese wichtigen Daten der Fachwelt zugänglich gemacht werden. Nun galt es, das 1969 erstellte und bis 1975 ergänzte, Manuskript in die gültige Systematik des Jahres 2003 zu übersetzen, denn über dreißig Jahre Schmetterlingsforschung haben kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. So manche Gattung war bereits aufgelöst worden und die Arten neuen oder anderen Gattungen zugeordnet. Auch gibt es Fälle, dass sich hinter einer Art nach neuesten Erkenntnissen tatsächlich zwei verbergen - und umgekehrt. Etwas mehr als ein Jahr dauerte diese Anpassung, unternommen vom Schmetterlingsexperten Dr. MATTHIAS NUSS, vom Staatlichen Museum für Tierkunde Dresden, und vom Autor. Weitere sechs Entomologen, von Königs-Wusterhausen bis Prag, unterstützten in verschiedenster Weise das Vorankommen. Im April 2004 erschien das überarbeitete Verzeichnis in den „Mitteilungen Sächsischer Entomologen“.
Die nüchterne Auflistung der lateinischen Artnamen, mit Funddaten und Angabe der festgestellten Häufigkeit, unterschlägt ein bisschen die wahre Bedeutung. Die Großenhainer Pflege als Naturraum, verfügt damit über die erste umfassende Bestandsaufnahme der hier vorkommenden Schmetterlinge. Das ist eine wesentliche Grundlage für künftige Erfassungen, um Veränderungen in der Fauna überhaupt feststellen und interpretieren zu können und damit nicht zuletzt für fundierte Naturschutzentscheidungen. Denn Insekten offenbaren wie kaum eine andere Organismengruppe den Zustand von Natur und Landschaft.
JOSEF SCHÖNFELDER kannte aus seiner böhmischen Heimat 800 Arten allein der „Großschmetterlinge“. Wohl bedeutend artenärmer muß er die Großenhainer Pflege empfunden haben. Bedauernd fügt er in seinem Manuskript die Gründe an: „Die Umgebung Großenhains ist soweit kultiviert, dass Ödflächen keine vorhanden sind, die noch bestehenden Wiesen werden meist künstlich gedüngt, nasse und Sumpfwiesen entwässert, so dass vielen Pflanzen die Lebensgrundlage genommen wird. Die landwirtschaftliche Großraumnutzung, Aufhebung der Grenzraine, wird noch manche Pflanze auf Straßenränder und Gräben verdrängen.“.
In Sachsen sind derzeit 2522 Schmetterlingsarten [5] bekannt, wovon durch das Wirken JOSEF SCHÖNFELDERs seit 1945 811 Arten für die Region vermeldet werden können. Hinzugezählt werden muß noch die allgegenwärtige Roßkastanienminiermotte, die erst vor wenigen Jahren nach Deutschland eingewandert ist. JOSEF SCHÖNFELDER hat nun 22 Jahre nach seinem Tod seinen unverrückbaren Platz in der sächsischen Entomologie erhalten, als Urheber der ersten umfassenden Schmetterlingsfaunistik für die Großenhainer Pflege.
Beitrag erstmalig publiziert: LEHMANN, U. (2004): Josef Schönfelder und die erste regionale Schmetterlingsfaunistik. - Großenhainer Stadt- und Landkalender - Jahrbuch 2005, Gräser Verlag Großenhain: 77–78.
Ein Verzeichnis der Schmetterlinge von Großenhain und Umgebung wird nach einem bislang unveröffentlichten Manuskript von JOSEF SCHÖNFELDER (1891–1982) publiziert. Die verwendete Nomenklatur richtet sich nach dem Verzeichnis der Schmetterlinge Deutschlands (GAEDIKE & HEINICKE 1999). Wo nötig wurden Kommentare eingefügt. Von 80 Schmetterlingsarten, insbesondere den Microlepidoptera, lagen Belege vor, die überprüft werden konnten. Das untersuchte Material ist jeweils mit aufgeführt. Insgesamt enthält das Verzeichnis 811 Arten, wovon 9 Arten nicht in dem Originalmanuskript enthalten waren, sondern nur in dem Belegmaterial. 15 Arten wurden aus dem Originalmanuskript nicht mit übernommen, da sie als Fehlbestimmung interpretiert werden. Zumeist handelt es sich dabei um Arten, die nicht aus Deutschland bekannt sind.
PDF - Die Schmetterlingsfauna von Großenhain und Umgebung (Insecta, Lepidoptera) – Nach einem Manuskript von Josef Schönfelder – [LEP]von U. Lehmann, Großenhain
Im Jahr 1763 veröffentlichte der Tiroler Naturforscher GIOVANNI ANTONIO SCOPOLI eine Arbeit zu den Insekten Kärntens (Österreich) [1]. In dieser beschrieb er, als erster entsprechend den Regelungen der Zoologie, einen großen schwarzen Käfer den er „SCARABAEUS Eremita“ nannte. Der Käfer ist inzwischen einer anderen Gattung zugeordnet und wird nun ausführlich „Osmoderma eremita (SCOPOLI, 1763)“ genannt - volkstümlich „Eremit“. Er zählt zu den seltensten und bedrohtesten Tieren Deutschlands. Seit etwa dreißig Jahren ist sein Vorkommen in Zabeltitz bekannt.
In der waldarmen Großenhainer Pflege ist ein Besuch in Zabeltitz stets ein beeindruckendes Erlebnis. Hier stehen noch wirklich alte knorrige Laubgehölze, genau diese braucht der Eremit zu seiner Entwicklung. Ausgehend von einem Astabbruch oder einer Blitzrinne entwickelt sich im Lauf der Zeit durch natürliche Vorgänge eine Höhlung, welche der Käfer besiedelt. Seine Larven - die übrigens Maikäfer-Engerlingen ähneln - fressen das langsam faulende Holz. Der Eremit war früher weit verbreitet, aber wohl zu keiner Zeit häufig; das Zabeltitzer Vorkommen ist offensichtlich ein Relikt der ursprünglichen Röderaue. Sicher wurde, sobald ein unterspülter Baum eine Schneise schlug und einen anderen Anbrüchigen der Sonne freigab, dieser vom wärmeliebenden Einsiedler angenommen. Über viele Eremitengenerationen - oft mehrere Jahrzehnte - vollzieht sich dann das Leben unbemerkt im Inneren. Nur selten, besonders an heißen Tagen, kann man ein Tier am Stamm sitzend beobachten. Dieser schwarz erzglänzende Geselle hat bis dahin bereits drei bis vier Jahre als gekrümmte weiße Larve zugebracht, um sich danach im selbstgebauten Kokon [2] zu verpuppen. Im späten Frühjahr geschlüpft hat er nur wenige Wochen Zeit um für den Erhalt seiner Art zu sorgen, bevor sein Leben endet.
Der Park und die Umgebung von Zabeltitz bietet viele mehr oder minder freistehende Bäume, eben solche die vom Käfer bevorzugt werden. Auch der nur mäßige Unterwuchs erleichtert dem trägen, nur selten fliegenden Tier die Neubesiedelung des nächststehenden geeigneten Biotops. Dieses versteckte Leben in hohlen Bäumen erklärt zum einen die Namensgebung „eremita“, zum anderen die Ursache der Bestandsgefährdung. Durch übertriebene „Pflegemaßnahmen“, die anbrüchigen Bäumen all zu schnell der Garaus machen, zählt dieser Lebensraum zu den dramatisch schwindenden in ganz Europa. Hohle Bäume beherbergen ungezählte Insektenarten, oft in komplexer Beziehung zueinander. So manch graziler farbenfrohe Blütenbesucher entwickelt sich im Holzmulm. Andere Insekten stellen gar diesen Bewohnern nach und wieder andere nutzen die Höhlung nur zum vorübergehenden Aufenthalt. Der Eremit repräsentiert diese bedrohte Vielfalt des Lebens in Hohlbäumen und zählt deshalb zu den prioritären Arten der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH). Alle EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet die Vorkommen zu schützen und die weitere Entwicklung zu dokumentieren. Übrigens haben Eremiten einen sehr eigenartigen Geruch. Dieser erinnert an mit Juchtenöl imprägniertes Leder - „Russisch Leder“. Ein regionaler Eremit ist bereits in die aktuellste Fachliteratur eingegangen. Das bisher publizierte maximale Maß für diese Art von 39 Millimetern, beruht auf einem Zabeltitzer Fund.
Beitrag erstmalig publiziert: LEHMANN, U. (2003): Ein europaweit geschützter Zabeltitzer - Großenhainer Stadt- und Landkalender - Jahrbuch 2004, Gräser Verlag Großenhain: 94–95.
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